Parkinson Fellowship 2022
Parkinson Fellowship in der Deutschen Gesellschaft für Neurologie – Forschungsstipendien 2022
Auch in diesem Jahr verleiht die Thiemann Stiftung drei hoch dotierte Stipendien für vielversprechende, innovative Projekte junger Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern zum Thema Parkinson. Die prämierten Forschungsvorhaben verfolgen überwiegend vollkommen neue wissenschaftliche Ansätze, die künftig dazu beitragen können, das Leben und Überleben der Patientinnen und Patienten weiter zu verbessern. So will Frau Dr. Anika Frank, Dresden, alpha-Synuclein-spezifische CAR (chimäre Antigenrezeptoren)-T-Zellen entwickeln, um im murinen Parkinson-Modell Neuroinflammation zu unterdrücken und Neurodegenerationen zu reduzieren. Dr. Bahne H. Bahners, Düsseldorf, möchte einen neuartigen, multimodalen Ansatz (mittels fMRT, MEG, dMRI) zur Konnektivitätsanalyse, Vorhersage des Stimulationseffektes und Optimierung der Tiefen Hirnstimulation entwickeln. Dr. Jannik Prasuhn, Lübeck, wird die APT („amide proton transfer“)-Bildgebung als in-vivo-Surrogatmarker für die alpha-Synuklein-Pathologie bei Parkinson-Betroffenen untersuchen.
Bereits zum achten Mal werden die Parkinson Fellowships in der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) von der Thiemann-Stiftung verliehen. „Die Gründungsidee der Stiftung ist die Förderung neurologischer Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in der klinischen oder grundlagenorientierten Parkinson-Forschung“, erklärt Prof. Dr. Martin Südmeyer, Vorstandsvorsitzender der Thiemann Stiftung.
Die Forschungsprojekte sollen zu einem Teil an einer Universität oder Forschungseinrichtung außerhalb des eigenen Zentrums im In- oder Ausland erfolgen. Das projektgebundene und auf ein Jahr begrenzte Parkinson Fellowship der Thiemann Stiftung ist mit je 60.000 Euro ungewöhnlich hoch dotiert, hinzu kommen Sachmittel. „Wir sind sehr stolz, auch in diesem Jahr wieder wesentlich auf dem Gebiet der Nachwuchsneurologie fördern zu können und freuen uns über die vielen bemerkenswerten Forschungsanträge, die eingegangen sind. Die Entscheidung war nicht leicht, aber wir glauben, besonders herausragende ´Bewerber ausgewählt zu haben. Entsprechend freuen wir uns mit den jungen Kolleginnen und Kollegen und wünschen ihnen erfolgreiche Forschungen und Ergebnisse, über die wir gern später berichten werden.“ Die Verleihung der Parkinson Fellowship 2022 erfolgt auch in diesem Jahr im Rahmen des DGN-Kongresses in Berlin.
Entwicklung α-Synuclein-spezifischer regulatorischer (CAR) T-Zellen zur Reduktion von Neuro-inflammation und Neurodegeneration im murinen Modell der Parkinsonerkrankung
Bei der Pathogenese des M. Parkinson spielt die pathologische Akkumulation von alpha-Synuclein (ɑ-syn) eine noch nicht vollständig geklärte Rolle. Das Immunsystem gilt als entscheidender Treiber neurodegenerativer Prozesse. So erkennen CD4-positive T-Zellen α-syn-Peptide und werden durch diese aktiviert, es kommt zur Autoreaktivität gegen (aggregiertes) alpha-Synuclein bzw. zur Invasion autoreaktiver, α-syn-responsive T-Zellen. Gegenspieler sind regulatorische T-Zellen (Tregs), eine Subpopulation von T-Zellen, die Toleranz gegenüber Autoantigenen vermitteln. Somit stellt die gezielte Modifikation von Immunprozessen bzw. die Wiederherstellung der Immuntoleranz gegenüber ɑ-syn mittels genetisch modifizierten Tregs einen vielversprechenden therapeutischen Ansatz dar.
In ihrem Projekt möchte Frau Dr. Frank die Rolle der Autoimmunität und deren therapeutische Modulation bzw. das sich ergebende, konkrete therapeutische Potenzial weiter erforschen. Im Tiermodell (ɑ-syn exprimierendes Parkinson-Mausmodell) sollen antigenspezifische regulatorische T-Zellen (Tregs) zur Vermittlung von Autotoleranz gegenüber krankheitsspezifischen Epitopen eingesetzt werden. Zunächst sollen daher aus murinen Splenozyten ɑ-syn-spezifische transgene CAR (chimäre Antigenrezeptoren)-T-Zellen (CAR Tregs) entwickelt werden, also molekulargenetisch modifizierte Tregs, die ɑ-syn-Antigenrezeptoren auf der Oberfläche tragen. Diese spezifische CAR Treg Therapie wird dann in einem murinen ɑ-syn- überexprimierendem Modell intravenös verabreicht und untersucht, ob und in welchem Ausmaß die ɑ-syn-Akkumulation beeinflusst, die zentrale und periphere Neuroinflammation moduliert und die dopaminerge Degeneration bzw. motorische Beeinträchtigungen verhindert werden können. Die Gesamtdauer des Projekts beträgt ein Jahr ab November 2022; es findet an der Columbia University in New York bei Prof. David Sulzer statt, einem international führenden Wissenschaftler in der Erforschung des dopaminergen Systems, Entdecker der autoreaktiven T-Zellen bei Parkinsonkranken sowie anderer bahnbrechenden Arbeiten.
Frau Dr. Frank ist derzeit Ärztin in Weiterbildung an der Klinik und Poliklinik für Neurologie (Direktor: Prof. Dr. med. Heinz Reichmann) am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) am Standort Dresden. Ihre Spezialisierung beinhaltet neurodegenerative Erkrankungen, Bewegungsstörungen und die Behandlung des fortgeschrittenen Parkinsonsyndroms mit kontinuierlichen Therapieverfahren (insbesondere auch tiefe Hirnstimulation). Sie möchte nicht nur mit Hilfe der Parkinson Fellowship der Thiemann Stiftung zum weiteren Verständnis der Rolle des Immunsystems bei M. Parkinson beitragen, sondern künftig als Clinician Scientist selbst translationale Therapien für Betroffene entwickeln.
Optimierung der Tiefen Hirnstimulation mittels multimodaler Konnektivitätsanalysen
Die Tiefe Hirnstimulation (THS) ist heute bereits nicht mehr aus den Therapieoptionen der Parkinsonbehandlung wegzudenken. Entscheidend für den Stimulationseffekt sind die Kenntnis der Zusammenhänge von Gehirnanatomie und Elektrophysiologie bzw. die optimale Elektrodenposition im Nucleus subthalamicus (STN), die mittels semi-automatisierter Algorithmen (entwickelt von Prof. Andreas Horn et al.) berechnet werden kann. Dabei erlaubt die funktionelle Konnektivität zwischen den funktionellen (f)MRT-Zeitreihen im STN und dem Kortex die Vorhersage des individuellen Stimulationseffektes der THS; limitierend ist dabei jedoch die geringe zeitliche Auflösung der fMRT (etwa 10 Sekunden), denn die neuronalen Abläufe der Parkinsonsymptomatik sind wesentlich schneller. Diese Limitationen sollen im Forschungsprojekt von Dr. Bahners überwunden werden. Sein Ziel ist ein verbessertes Verständnis der Pathophysiologie sowie der Wirkmechanismen der THS durch eine verbesserte neuartige, multimodale Konnektivitätsanalyse zur optimierten Vorhersage des Stimulationseffektes. Der multimodale Ansatz kombiniert die prädiktiven Eigenschaften der funktionellen (fMRT) mit der strukturellen (dMRT) und der oszillatorischen (MEG) Konnektivität. Die Erhebung entsprechender Datensätze (einschließlich lokaler Feldpotentiale/LFP und Magnetenzephalographie/MEG) ist nur in relativ kleinen Stichproben und an wenigen Zentren möglich (z.B. in Düsseldorf, Berlin, London). In die Analysen sollen STN-LFP-MEG Daten von insgesamt 80 an Parkinson Erkrankten eingehen; 36 wurden bereits am Universitätsklinikum Düsseldorf rekrutiert, 21 an der Charité in Berlin und 14 am University College London. Bis zum Projektbeginn im vierten Quartal 2023 wird die Rekrutierung in Düsseldorf komplettiert. Anhand dieses multizentrisch erhobenen, kombinierten „resting state LFP-MEG Datensatzes“ werden die mit Parkinson assoziierten kortikalen und subkortikalen elektrophysiologischen Veränderungen und ihre Interaktionen charakterisiert. Ziele sind 1.) die Topographie der oszillatorischen Konnektivität in verschiedenen Frequenz-Bändern mit der strukturellen Konnektivität zu vergleichen und 2.) den prädiktiven Wert dieser Konnektivität für den klinischen Effekt der THS zu untersuchen und mit dem prädiktiven Wert der dMRT- und fMRT-Konnektivität zu verglichen und zusammenzuführen.
Dr. Bahners arbeitet zurzeit als Assistenzarzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Klinik für Neurologie und am Institut für Klinische Neurowissenschaften und Medizinische Psychologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. Seine elektrophysiologische Expertise erwarb er bei seiner langjährigen Tätigkeit im MEG-Labor, seit 2020 ist er im DFG-geförderten Transregio-SFB (TRR295) in Düsseldorf tätig. Das Stipendium wird er nutzen, um ein Jahr am „Center for Brain Circuit Therapeutics“ an der Harvard Medical School in Boston zu verbringen. Er wird gemeinsam mit Gastgeber Dr. Andreas Horn, dem weltweit anerkannten Experten im Bereich der Netzwerkmodulation durch THS/DBS Network Mapping (übrigens der Preisträger des Parkinson-Fellowships 2015 der Thiemann Stiftung) beschriebene neuartige, multimodale Betrachtung der Netzwerkmodulation durch die THS entwickeln und so seinen eigenen Forschungsschwerpunkt in Düsseldorf etablieren und vertiefen. Langfristig könnte die multimodale Analyse sogar eine präoperative Simulation des klinischen Effektes und eine individuelle Optimierung der Stimulationsparameter ermöglichen.
Amide Proton Transfer-Bildgebung als in-vivo-Surrogatmarker für die alpha-Synuklein-Pathologie bei Patientinnen und Patienten mit Parkinson-Krankheit
Die frühzeitige Diagnose bei M. Parkinson ist besonders vor dem Hintergrund zukünftiger krankheitsmodifizierender Therapien prognostisch sehr wichtig, jedoch gibt es bisher dafür keine optimale technische Möglichkeit. Die strukturelle und funktionelle MRT sind nicht eindeutig genug; die Dopamintransporter-Szintigraphie ist nicht ausreichend verfügbar. Bei der Vielzahl beteiligter biochemischer Pathomechanismen bietet sich besonders die gesicherte Beteiligung von α-Synuklein (α-syn) als molekulare und histopathologische Endstrecke des M. Parkinson als diagnostischer Biomarker an. Wünschenswert ist hierfür eine nichtinvasive, standardisierbare Diagnostik ohne ionisierende Strahlung. Das Projekt von Dr. med. Jannik Prasuhn basiert auf einem entsprechenden innovativen Ansatz, dem APT-gewichteten MRT („Amide Proton Transfer“-Bildgebung), einem neuen MRT-Kontrast (ohne Kontrastmittel), mit dem (auf Grundlage des chemischen Austausches von Protonen zwischen Protein-Amidgruppen und Wasser) in vitro und in vivo Peptide und Proteine sichtbar werden. Die APT-Bildgebung zerebraler Proteine wird bereits mit vielversprechenden Ergebnissen zur Hirntumordiagnostik erforscht. Vorstudien zeigten, dass mittels APT-Bildgebung Proteinaggregate in vitro sensitiv detektiert werden, was auch die Quantifizierung von α-Syn-Gehalt und -Aggregation ermöglicht. Eine Interpretation der APT-MRT-Befunde der α-Syn-Pathologie im Sinne eines Surrogatmarkers ist in vivo allerdings bisher noch nicht möglich, da multimodale Bildgebungsstudien und Vergleiche zu anderen α-Syn-Nachweisverfahren fehlen.
Dr. Prasuhn möchte daher in einer kombinierten in-vitro- und in-vivo-Studie untersuchen, ob sich die APT-Bildgebung als quantitativer Surrogatmarker der Parkinson-spezifischen α-Synukleinpathologie eignet. Studienziele sind die Ermittlung von Sensitivität, Spezifität und Reliabilität der APT-basierten Signale bei der in-vitro-Analyse des α-Syn-Gehaltes sowie vergleichende Analysen der APT-Bildgebung mit etablierten MRT-Methoden (Suszeptibilitätsgewichtete Bildgebung, Relaxometrie und Neuromelaningewichtete Bildgebung), begleitet von korrelativen Analysen zwischen ATP-Signalunterschieden mit dem α-Syn-Gehalt in Blut- bzw. Liquor bzw. dessen Aggregationsverhalten. Außerdem soll die multimodale MRT-Bildgebung (inklusive APT) bei 25 Parkinsonerkrankten (entsprechend einer umfassenden klinischen Charakterisierung) mit 25 Gesunden verglichen werden.
Dr. med. Jannik Prasuhn ist derzeit Arzt in Weiterbildung in der Klinik für Neurologie/Institut für Neurogenetik der Universität zu Lübeck und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Neurogenetik (AG Brüggemann: Klinische Neurogenetik und Bildgebung). Die methodische Einarbeitung und die in-vitro-Untersuchungen werden bei Prof. Dr. Peter van Zijl an der Johns Hopkins University, Baltimore („F.M. Kirby Research Center for Functional Brain Imaging at the Kennedy Krieger Institute“) erfolgen. Die in-vivo-Studie soll danach in Lübeck durchgeführt werden. Nach Abschluss dieser mit dem Stipendium finanzierten Studien strebt Dr. Prasuhn perspektivisch auch longitudinale Datenanalysen an. Für ein Folgeprojekt mit einer vergleichenden Kontrollstudie in Baltimore besteht bereits Kontakt zu Prof. Ted Dawson, den Direktor des „Institute for Cell Engineering“ an der Johns Hopkins University, Baltimore.