Eine junge Person hält die Hand einer älteren Person

Thiemann Parkinson Care Research:
»Neue Perspektiven: der wissenschaftliche Blick auf die pflegerische Versorgung von Parkinsonpatienten.«

Forschungsförderung

Portrait von Dr. med. Odette Fründt

Thiemann Parkinson Care Research

Dr. med. Odette Fründt

ZEITRAUM DER FÖRDERUNG
Ab Januar 2021 für die Dauer von 2,5 Jahren (vom 01.01.2021 bis 30.06.2023)

KURZE BESCHREIBUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN FORSCHUNGSPROJEKTES
Das Forschungsvorhaben, das in Kooperation zwischen dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und dem Klinikum Ernst von Bergmann (EvB) durchgeführt wird, widmet sich alltagsrelevanten Fragen der Lebens- und Versorgungsrealität von Patienten mit fortgeschrittenem Parkinsonsyndrom. Der Schwerpunkt liegt dabei auf zwei Teilbereichen:

Einerseits wird in einem kleineren Teilprojekt die Fahreignung von fortgeschrittenen Parkinson-Patienten untersucht. Eigene Vorarbeiten hierzu (vor allem zum Einfluss der Tiefen Hirnstimulation (THS) sowie von Impulskontrollstörungen auf das Fahrverhalten) liegen bereits vor und wurden kürzlich zur Review-Verfahren bei internationalen Fachzeitschriften eingereicht. Der Fokus dieses aktuellen Teilprojekts liegt vor allem auf der Analyse der Auswirkungen von Dyskinesien (unwillkürliche, motorische Überbewegungen von Kopf, Rumpf und/oder Extremitäten) auf die Fahreignung von Parkinson-Patienten: Es werden jeweils 15 Parkinson-Patienten mit medikamentös ausgelösten Dyskinesien, 15 Parkinson-Patienten mit THS-bedingten Dyskinesien sowie 15 Parkinson-Patienten ohne Dyskinesien klinisch, neuropsychiatrisch sowie in einem Fahrsimulator untersucht. Dies wird wichtige Fragen zum Einfluss der Dyskinesien auf die Fahreignung von Parkinson-Patienten – die häufig auf Grund der krankheitsbedingt eingeschränkten Mobilität auf das Autofahren angewiesen sind – beantworten.

Das zweite, schwerpunktmäßige Teilprojekt widmet sich der Untersuchung der aktuellen Versorgungslage von fortgeschrittenen Parkinson-Patienten mit Fokus auf die bundesweite Pflegesituation (Pflegedienste/Pflegeheime). Ausgehend von einer deutschlandweiten, Fragebogen-gestützten Analyse in Zusammenarbeit mit der Deutschen Parkinsonvereinigung (dPV), der Deutschen Parkinsonhilfe (DPH), dem Bundesverband der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen e.V. (BKSB) sowie der FONTIVA Unternehmensgruppe zur aktuellen, pflegerischen Versorgungsrealität von Patienten mit fortgeschrittenem Parkinsonsyndrom werden der aktuelle Status quo, der wirkliche Bedarf sowie mögliche Ansatzpunkte für Verbesserungen der Pflegesituation ermittelt. Hierbei wird sowohl die Einschätzung der Parkinson-Patienten selbst als auch der pflegenden Einrichtungen Beachtung finden. Daraus wird optimalerweise im Anschluss ein (zertifiziertes) Konzept zur Verbesserung der häuslichen und institutionellen Pflege von Parkinson-Patienten entwickelt unter Einbeziehung von branchenübergreifenden Kompetenzen aus dem privaten (Patienten- / Angehörigenorganisationen), medizinischen (pflegerisch und ärztlich) und sozialen (Einbezug von Krankenkassen) Sektor.

Bedeutung der Thiemann-Wissenschaftsförderung für meinen persönlichen Werdegang
Die Thiemann-Wissenschaftsförderung ermöglicht mir die Durchführung eines umfangreichen, bundesweiten Projekts zur Analyse und Optimierung der Versorgungssituation von Parkinson-Patienten, um deren Lebensqualität im Alltag zu verbessern, was mir im Rahmen meiner ärztlichen Tätigkeit der letzten Jahre eine Herzensangelegenheit geworden ist. Ohne eine klinische Freistellung sowie die großzügige finanzielle und inhaltliche Unterstützung der Thiemann-Stiftung wäre die Realisierung dieses Forschungsvorhabens nicht möglich. So bietet sich mir nun die Chance einer tiefgründigen Literaturrecherche, intensiven Datenanalyse sowie der stetigen Erweiterung von methodischen Kenntnissen. Dies wird mich ebenfalls bei meinem zukünftigen Ziel, der Habilitation in diesem wissenschaftlichen Themenfeld, unterstützen. Auch der kollaborative Charakter dieses Forschungsprojektes unter Einbindung der Kompetenzen von verschiedenen gesellschaftlichen Ressourcen multipliziert und objektiviert die Ergebnisse der Forschungsarbeit, ermöglicht ein plurales Anwendungsspektrum und beeinflusst mich auch persönlich nachhaltig.

Teilergebnisse der Care4PD-Studie zur pflegerischen Versorgungssituation von Menschen mit Parkinson während der COVID-19-Pandemie veröffentlicht

Die „Care4PD“-Studie der Klinik für Neurologie des Ernst von Bergmann Klinikums Potsdam in Kooperation mit der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf erfasste bundesweit die aktuelle, pflegerische Versorgungssituation von Menschen mit Parkinson sowie mögliche Einschränkungen durch die Corona-Pandemie. Die Ergebnisse wurden im Dezember 2021 im internationalen, renommierten Fachjournal „Brain Sciences“ veröffentlicht https://www.mdpi.com/2076-3425/12/1/62 und zuletzt von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) im „Journal Club COVID19“ von Januar 2022 vorgestellt:

https://dgn.org/neuronews/journal_club/erhebung-aus-deutschland-zur-versorgungssituation-von-menschen-mit-m-parkinson-waehrend-der-pandemie/.

Im Rahmen der Fragebogenstudie wurden 25.000 Fragebögen über die Deutsche Parkinsonvereinigung (dPV) sowie ambulante und stationäre Parkinson-Einrichtungen versandt. 1.269 Fragebögen konnten letztlich in die Analysen eingeschlossen und ausgewertet werden.

269 (21%) der Befragten erhielten eine professionelle Langzeitpflege („long-term care“; p-LTC), wovon 62,1% durch ambulante Pflegedienste betreut waren, 26% in einer Pflegeeinrichtung lebten und 11,9% eine 24h-Betreuung hatten. Die p-LTC-Gruppe war älter, vornehmlich weiblich, durch eine höhere Krankheitsschwere gekennzeichnet (höhere Werte auf der Hoehn-und-Yahr-Skala) und musste im Verlauf der Pandemie häufiger hospitalisiert werden im Vergleich zu denen ohne professionelle Langzeitpflege (np-LTC, 79%). Letztere berichteten jedoch in 44% der Fälle auch über eine Pflegegrad-Einstufung mit Notwendigkeit der Übernahme pflegerischer Aufgaben vermutlich durch Angehörige.

Hauptergebnis der Befragung war, dass die COVID-19-Pandemie nur zu einer milden Zunahme der Parkinson-Symptome führte und sich die Betroffenen nur in wenigen Pandemiephasen weniger gut versorgt fühlten. Auch der Einfluss der Pandemie auf das tägliche Leben wurde allgemein als moderat eingestuft. In der Studiengruppe, ohne professionelle Langzeitpflege gaben 27,8% an, keinerlei spezifische Einschränkungen in der Versorgung erfahren zu haben im Vergleich zu 14,9%. in der p-LTC-Gruppe. Als wesentliche Einschränkungen wurden von beiden Gruppen Restriktionen im Hinblick auf soziale und familiäre empfunden. Der Zugang zu Ärzten und Therapeuten im ambulanten Bereich schien hingegen nicht relevant beeinträchtigt. Telemedizinische Möglichkeiten, obwohl verfügbar, wurden interessanterweise nicht in einem relevanten Maße genutzt.

Somit stellte die ambulante Versorgung eine „stabile Säule“ in der Pandemie dar. Zukünftig sollte vor allem die Versorgung von Patienten mit professioneller Langzeitpflege im Fokus stehen und ausgebaut werden.

Kontakt: Dr. Odette Fründt & Prof. Dr. Martin Südmeyer